Unter dem Titel «Rest in Peace, Onlinewerbung (* 1995, † 2015)» lässt sich Thomas Koch –Berater, Speaker und Autor, der als einer der besten Kenner der deutschen Mediabranche gilt – zurecht über den gigantischen Betrug aus, der beim Online-Advertising passiert. Er beginnt mit den markigen Worten
«Liebe Onlineplaner, liebe Digitalagenturen, verehrte Digital Marketing Directors, ich muss Sie davor warnen, weiterzulesen. Schwerwiegende gesundheitliche Folgen können nicht ausgeschlossen werden, wenn Sie es dennoch tun. Von Beschädigungen Ihrer Karriere ganz zu schweigen – das aber nur, wenn Ihre Kunden oder Ihr Vorstand Wind davon bekommen.»
Ganz unrecht hat er nicht, ist doch in jüngster Zeit herausgekommen, dass
über die Hälfte der Online-Werbemittel niemals an Menschen ausgeliefert würde und dass ein signifikanter Anteil der ausgelieferten Werbung niemals sichtbar war.
Oder anders formuliert: ein «Online-Betrug, der die US-Industrie angeblich 7,5 Milliarden Dollar» gekostet hat.
Scott führt plausibel und plastisch vor, wie das System funktioniert und wie sich Agenturen und Publisher die Taschen mit Werbegeldern füllen, die die Werbungtreibenden völlig wirkungslos aus dem digitalen Fenster werfen: “I think we can see who the loser is- everyone is making money except for the clients.”
Er führt weiter an:
Wer aber sind nun die Täter, wer die Opfer? Die alleinigen Opfer sind einfach auszumachen: Es sind eindeutig die Werbekunden.
An dieser Stelle empfehle ich Nachdenken statt Weiterlesen. Sind die Werbetreibenden wirklich Opfer, wenn sie sich so leicht reinlegen lassen? Mal ehrlich: glaubt irgendwer wirklich, dass Impressionen identisch sind mit Wahrnehmung durch die Zielgruppe? Und wenn ja, wie kann es überhaupt sein, dass man an dieser Stelle nicht mal einen Millimeter weiterdenkt? Beim Ziele-Formulieren ist doch Denkarbeit angesagt. Oder etwa nicht? Wer sich so leicht reinlegen lässt, ist in meinen Augen nicht ein Opfer, sondern ein fahrlässiges Opfer oder ein Mit-Täter. Wer mitten in einer touristischen Hochburg mit vielen Passanten seinen Geldbeutel halb aus der Hosentasche hängen lässt, ist eben auch ein wenig mit schuld, wenn dieser ihm geklaut wird.
Schon vor 12 Jahren habe ich in meinem Buch «Business Campaigning» angeprangert, dass man sich bei der Zielformulierung oft auf halber Strecke ausruht und dann den Weg nicht mehr zu Ende geht. Das Buch ist im Handel erhältlich. Es kann keiner sagen, er konnte es nicht wissen.
Wäre das nicht auch ein Thema für ein BarCamp am Campaigning Summit Switzerland 2016?