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Der Kassenzettel der Eigenverantwortung: ein liberales ökonomisches Gedankenspiel | The Market

Köstlich:

«Mit Blick auf die Pandemiebekämpfung ist viel von Eigenverantwortung die Rede. Oft ist damit nur gemeint, jeder könne tun und lassen, was er will. Aus ökonomisch-liberaler Sicht ist das grundfalsch.

(… ) Maurer, der sich wie viele Nationalkonservative für einen Liberalen hält, will nun gerade nicht zu klaren Regeln greifen. Offenbar lehnt er sogar das fundamentale «Harm principle» des liberalen Philosophen John Stuart Mill (1806-1873) ab, wonach das individuelle Handeln, positiv gewendet, immerhin dann durch das Recht eingeschränkt werden darf, ja sogar muss, wenn es andere Menschen schädigt.

(…) Denn Eigenverantwortung bedeutet entgegen einem verbreiteten Missverständnis nicht bloss, dass sich jeder Mensch ungestört um seine eigenen Angelegenheiten kümmern möge. Vielmehr umschliesst sie immer auch die persönliche Verantwortung für die Mitmenschen.

Hier nun kann Eigenverantwortung nur heissen: Ich lasse mich vorsorglich aus freien Stücken impfen. Oder: Ich sperre mich, aus ebenso freien Stücken, auf vorerst unabsehbare Zeit hermetisch ein. Was attraktiver ist, mag natürlich jede und jeder selbst frei entscheiden.

(…) Selbst Smith zweifelte am menschlichen Gewissen (…) Smith gab sich keinerlei Illusionen hin: Unsere Urteile sind oft falsch. Wie sagte auch sein preussischer Zeitgenosse Immanuel Kant (1724-1804)? «Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.»

(…) Ohne Verantwortung kann es schliesslich keine Freiheit geben, und Verantwortung bedeutet Haftung.

Ökonomisch statt moralisch gefasst, müsste eine solche Haftung also eine Zahlungspflicht auslösen. In Rechnung zu stellen wären mindestens die angefallenen Behandlungskosten des Opfers, dessen Verdienstausfall sowie ein Schmerzensgeld, das umso höher ausfallen müsste, je schwerer die Symptome wiegen, oder gar eine Entschädigung der Hinterbliebenen. (Das Fass der Behandlungskosten des Verursachers selbst muss man an dieser Stelle nicht auch noch aufmachen.)

Die Haftungssumme bezöge sich indes nicht nur auf die erste angesteckte Person, sondern auf die ganze Kette an Ansteckungsopfern, die alle auf denselben Erstverursacher zurückgehen. Zudem bräuchte es einen pauschalen Beitrag zur Kompensation nicht nur der direkt Betroffenen, sondern auch der im pandemischen Geschehen zurückgeworfenen, im Alltag weiterhin gelähmten Gemeinschaft.

Keine Ahnung, wer das ausrechnen könnte, aber eins ist klar: Der Kassenzettel der Eigenverantwortung würde derart lang und die Summe so horrend, dass es kaum jemand mehr darauf ankommen lassen und auch nur eine Sekunde daran zweifeln würde: Die Alternative kann nur Impfen oder strikte Isolation heissen. »

— Weiterlesen themarket.ch/meinung/der-kassenzettel-der-eigenverantwortung-ein-liberales-oekonomisches-gedankenspiel-ld.5000

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