Vorgestern Abend traf sich wieder einmal die illustre Gemeinschaft auf pro:campaigning-Mitgliedern, Team-Mitgliedern von business campaigning Switzerland und Liebhabern der Currywurst und des Campaigning zum monatlichen Erfahrungsaustausch und Currywurst-Genuss bei mir zuhause. Im Zentrum des Erfahrungsaustausches stand diesmal Referentin Esther Knaus.
Esther Knaus hat ein ServiceDesign-Konzept entwickelt, das sich auf verschiedenste Branchen anwenden lässt. Damit hat es dies und ein paar andere Dinge gemeinsam mit meinem business campaigning® Modell. Esther geht immer gleich vor, wobei sie sich an einem vordefinierten Prozess orientiert, aber die Lösungen sind immer massgeschneidert, weil ihre Art der Analyse Dinge zum Vorschein bringt und Zusammenhänge aufzeigt, die den Beteiligten bis dahin nicht bewusst waren oder sich nicht genügend ins Bewusstsein gedrängt hatten. Von anderen Formen der Beratung unterscheidet sich auch das ServiceDesign-Konzept dadurch, dass es ganzheitlich an die Sache herangeht und neben Interventionen auch die Kommunikation von vornherein integriert. Ziel ist immer eine win-win-Situation für den Dienstleister und den Kunden. ServiceDesign kann auch dann zum Einsatz kommen, wenn es scheinbar nirgendwo gerade brennt. Denn die Methodik beinhaltet eine Art Check-Up, die entweder Probleme an den Tag bringen kann, bevor sie an die Oberfläche kommen, oder aber einfach auch neue Verbesserungsvorschläge, die nice to have sind. “Checkpoint ServiceDesign” sagte Teilnehmerin Lorena Valentini anschliessend an das Referat.
Ich hatte Esther aus mehreren Gründen eingeladen. Erstens handelt es sich bei ServiceDesign um einen Werkzeugkoffer, den jeder Campaigner kennen sollte, weil er durchaus einmal die richtige Lösung für einen Kunden mit Problemen liefern kann. (Kommunikation ist zwar alles, aber nicht alles ist Kommunikation.) Zweitens ist Esther Mitglied im Team von business campaigning Switzerland und sollte auch den anderen Teammitgliedern einmal ihre Spezialität vorstellen. Drittens hatte ich selbst ihre Dienste 2004 schon einmal in Anspruch genommen, was meiner Agentur in der Folge einen regelrechten Boom bescherte, nicht nur, weil unsere Kunden danach noch zufriedener mit unseren Dienstleistungen waren. Und auch nicht nur, weil wir kostentreibende Leerläufe eliminieren konnten. Sondern auch, weil im Rahmen der Analyse unsere Kunden, die Esther befragte, durch die Interviews auch für sich Neues herausfinden bzw. entdecken konnten, was sie nachher erfolgreicher machte. Das alleine schon freute sie daran, weiter mit uns zusammenzuarbeiten. An den Erfahrungen von damals wollte ich die versammelten Unternehmer teilhaben lassen.
Und nun ein paar Auszüge aus dem Referat.
Esther beginnt mit den Worten, dass sie Spass daran hat, Dinge sichtbar zu machen, die man sonst nicht sieht. Das kann ich bestätigen. Ihr Ziel ist es immer, dass alle in einem Team die Dienstleistungen in gleicher Qualität erbringen – personenunabhängig. Normal ist aber eigentlich, dass das Niveau sehr von der Person abhängt, und beim Abgang von guten Angestellten auch die Kunden verloren gehen.
Wenn Esther mit der Analyse beginnt, ist es oft so, dass die vorhandenen Defizite (sie nennt sie “Gaps”) meist bekannt sind, aber man weiss nicht, wie man sie schliessen kann. Oder man hat sogar Angst davor. Diese Gaps sind:
Gap1: Wahrnehmungslücke
Unternehmen haben Angst vor dem, was die Kunden wollen, dass sie das nicht befriedigen können. Sie behaupten es zu wissen, schauen aber gar nicht richtig hin.
Esther will deshalb immer mit drei ganz verschiedenen Kunden reden. Hoch zufriedene, zufriedene und motzende Kunden. Es braucht selten einen repräsentativen Querschnitt. Drei Befragte reichen meist.
Gap2: Entwicklungslücke
Unternehmen haben Probleme, Dienstleistungen in gleichbleibender Qualität zu erbringen.
GAP3: Leistungslücke
Die Service-Standards des Unternehmens werden durch die Mitarbeitenden nicht in jedem Fall erbracht
GAP4: Kommunikationslücke
Erbrachte Dienstleistungen entsprechen nicht den kommunizierten Leistungen des Unternehmens.
GAP5: Qualitätslücke
Kundenerwartung und erbrachte Unternehmensleistung differieren.
Um diese Lücken zu schliessen, befragt Esther Mitarbeitende, die Kunden und andere Stakeholder, wobei sie sich an ein festes Raster hält, das sie entwickelt hat. Im Referat brachte sie immer wieder Beispiele aus der Praxis, die ich an dieser Stelle aber nicht nennen kann und möchte. Wichtig zu wissen ist, dass sie nicht einfach nur Empfehlungen abgibt, wie zum Beispiel Prozesse geändert werden müssen. Sie schaut auch darauf, dass diese notwendigen Änderungen so entwickelt und kommuniziert werden, dass diejenigen, die sich nachher daran zu halten haben, nicht nur verstehen (können), was es zu tun gibt, sondern dabei auch höchst motiviert sind. (Auch dies eine Parallele zum business campaigning®). So setzt sie Grafiken ein, die die Betroffenen selbst vorgeschlagen oder gemacht haben und definiert einen Prototyp, der als Geschichte erzählt werden kann.
Weil viele Beratungsprozesse oft nur theoretische Übungen sind, die dann in der Realität nicht umgesetzt werden können, achtet Esther Knaus insbesondere auf die notwendige Handlungskompetenz: beispielsweise Service Level Agreement der IT-Abteilung eines grossen Unternehmens. Verkäufer, die nach Südostasien reisten, mussten die Laptops mitnehmen, die Standard waren. Diese vertrugen aber die Hitze nicht in diesen Ländern. So mussten sie oft wieder unverrichteter Dinge zurück in die Schweiz, um einen neuen Laptop zu holen. Dummerweise handelte es sich dabei um das gleiche Modell… Selbst wenn die IT Spezialisten nicht der Meinung gewesen wären, die Verkäufer hätten halt keine Ahnung, hätten sie auch gar nicht die Handlungskompetenz gehabt, in diesem Fall einen anderen Laptop zu geben. Es musste also an zwei Ecken eine Lösung her: eine Dienstleistungsmentalität für die IT Abteilung und gleichzeitig neue Handlungskompetenzen für deren Mitarbeiter.
Nicht selten verlassen nach einem ServiceDesign-Prozess Mitarbeitende das unternehmen, weil sie eben nicht gerne Dienstleistungen erbringen. Auch das ist letztendlich ein Gewinn für beide Seiten.
Auch andere Kunden wollten die genannte IT-Abteilung nicht mehr. Sie hatte zwar eine hohe Fachkompetenz, kam aber aus einem anderen (fusionierten) Unternehmen und hatte keinerlei DL-Kompetenz. Esther Knaus erstellte erstmal die DL-Landschaft. Wer ist von den Dienstleistungen betroffen, damit befasst, und hat wann welchen Erfolg (Unternehmen, Kunden, Mitarbeiter)? Anschliessend nahm sie die ganzen Prozesse auseinander. Plus die Einstellungen der Dienstleister, die zu verändern waren. Diese IT-Abteilung hatte eine arrogante Haltung, dass die Kunden keine Ahnung haben und erfolglos wären ohne die IT-Abteilung.
Esther geht immer davon aus davon, dass ServiceDesign analog ist zu Produktedesign. Dienstleistungen müssen vermehrbar sein und wahrnehmbar. Für die IT-Abteilung wurde das Bild eines Boxenstopps geschaffen. Die Kunden sind Rennfahrer, deren Erfolg von der Geschwindigkeit des Boxenstopps abhängt. Bilder sind enorm wichtig. Damit konnte der IT-Abteilung nicht nur vermittelt werden, worum es bei ihrer Arbeit eigentlich ging, sondern auch Begeisterung konnte geschaffen werden, weil sie selbst das Bild entwickelt hatten.
Ein wichtiger, weiterer Schritt ist das Prototyping: auf diese Art macht man Dienstleistungen erfahrbar und lernbar.
Im genannten Beispiel wurde zum Schluss ein Booklet mit Bildern und Beispielen produziert, unter Berücksichtigung dessen, was den Mitarbeitenden wirklich wichtig war. Beim Stil blieb man so praktisch wie möglich. Dauer des ganzen Prozesses: ein Jahr, inklusive Trainings zum Erwerb der DL-Kompetenz. Noch heute, vier Jahre später, ist das Booklet in häufigem Gebrauch und die ITler ganz stolz auf das, was sie damals erreichten.
Am Ende des Referats gab Esther Knaus uns noch konkrete Tipps auf den Weg:
“Besinnt Euch darauf, was genau Eure Mission ist. Können alle das gleich formulieren? Definiert mit Euren Mitarbeitenden ganz klar, was die Keywords sind, was besonders wichtig an der Dienstleistung ist. Definiert das wirklich extrem konkret. Was heisst zum Beispiel “gut”? Dann nennt Beispiele. Dann schaut, dass sie auch die Fähigkeit haben, dies umzusetzen. (Handlungskompetenz). Zeigt zudem Bereitschaft, wie wichtig es Euch als Führungskraft ist.”