Das folgende Beispiel zeigt auf, wie man den Strategischen Campaigning Grundsatz Nr. 2 – die Agenda kontrollieren – in der Praxis umsetzen kann, speziell die Interpretationen «Kann man die gegnerischen Argumente erahnen, nimmt man ihnen den Wind aus den Segeln» und «das Gebiet der Auseinandersetzung selbst bestimmen».
Seit 2013 ist die Climeworks AG ein Kunde meiner Agentur business campaigning Switzerland GmbH. Climeworks ein Startup, das einen CO2-Kollektor entwickelt hat. Dieser filtert kostengünstig und energieeffizient CO2 aus normaler Umgebungsluft. (Die Idee für den Namen CO2-Kollektor stammt dabei von uns.) Mit diesem CO2 als Rohstoff, sowie Wasser und erneuerbarem Strom produziert Audi Sprit für Autos. Im Prinzip handelt es sich um nichts anderes als eine Umkehr des Verbrennungsprozesses, der im Motor passiert. Die Vision von Climeworks ist ein geschlossener Kohlenstroffkreislauf, durch den heutige Fahrzeuge praktisch klimaneutral gefahren werden können, denn der (synthetische) Treibstoff stammt ja aus der Luft und man benötigt keine fossilen Erdölquellen mehr. Weitere Informationen gibt es hier: www.CleanFuelNow.com.
Audi möchte im Jahr 2016 eine Produktionsanlage für synthetische Treibstoffe in der Schweiz bauen. Allerdings gibt es noch ein Hindernis, das nur die Politik aus dem Weg räumen kann: die CO2-Emissionsvorschriften, die im Juli 2012 in Kraft getreten sind. Sie schreiben für die Fahrzeugflotten der Auto-Importeure eine Reduktion des CO2-Ausstosses bis Ende 2015 auf durchschnittlich 130 Gramm vor – analog zum Ziel, das die EU festgelegt hat. Wer den Grenzwert überschreitet, muss CO2-Sanktionen zahlen, ab dem vierten Gramm den Vollbetrag von 142.50 Franken. Sportwagen mit mehr als 200 Gramm CO2/km können so schnell um 10’000 Franken teurer werden. Und es steht bereits die nächste Verschärfung an. Die Pläne der EU sehen vor, dass Neuwagen in Europa ab 2020 durchschnittlich nur noch 95 Gramm CO2/km ausstossen dürfen.
Mit diesen CO2-Sanktionen sollen Auto-Importeure dazu angehalten werden, möglichst viele Fahrzeuge der Typen zu importieren, die möglichst wenig Sprit pro Kilometer verbrauchen, man will die Effizienz der Fahrzeugflotte verbessern.
Im Sinne des Klimaschutzes macht dies natürlich Sinn. Das Problem entsteht nun bei den Fahrzeugen, die mit synthetischen Treibstoffen gefahren werden. Obwohl sie dank geschlossenem Kohlenstoffkreislauf praktisch klimaneutral fahren, müssen die Importeure trotzdem CO2-Sanktionen zahlen, wie wenn diese Fahrzeuge mit fossilem Sprit betrieben würden. Dies ist nicht nur in dem Sinne falsch, dass man für etwas bestraft wird, was man gar nicht begeht. Es hemmt auch die Innovation und Investitionen in die Entwicklung und Produktion klimaneutraler synthetischer Treibstoffe.
Climeworks hat uns deshalb ein Mandat erteilt, in der Schweiz eine Anrechnung synthetischer Treibstoffe bei der Berechnung der CO2-Sanktionen zu erreichen, d.h., dass die entsprechenden Fahrzeuge mit einem Wert von Null Gramm CO2 pro Kilometer angerechnet werden können und damit den Gesamt-Durchschnitt senken.
Unterstützung haben wir dabei durch Nationalrat Thomas Böhni (Grünliberale Fraktion) erhalten. Er reichte am 10. Dezember eine Motion ein, um den Bundesrat mit folgendem zu beauftragen:
a. die rechtliche Grundlage im CO2-Gesetz zu schaffen, dass Importeure und Hersteller von Fahrzeugen, welche mit CO2-neutralen, synthetischen, in der Schweiz hergestellten Treibstoffen betankt werden, entsprechend reduzierte CO2-Emissionswerte im Rahmen der Flottenemissionsregelung angerechnet erhalten und
b. ein administratives Verfahren ausarbeiten zu lassen, dass die Anrechenbarkeit auf Einzelfahrzeuge (z.B. analog den Ökoinnovationen) ermöglicht.
Diverse Gespräche mit Umwelt- und anderen Verbänden in den letzten Monaten zeigten uns, dass die Idee zar grundsätzlich auf grosse Unterstützung stiess, dass aber ein Argument kritisch sein könnte: die Befürchtung, mit der Anrechnung werde der Druck auf die Autoiindustrie abgebaut, effizientere Fahrzeuge zu bauen. Denn wenn «Spritfresser» als klimaneutral angerechnet werden können, wo ist dann der Anreiz, verbrauchsarme Fahrzeuge zu bauen bzw. zu importieren?
Wir wussten zwar um dieses Argument und waren dagegen mit dem Gegenargument gewappnet, dass der Druck gar nicht sinkt, weil bei einem begrenzten Angebot synthetischer Treibstoffe der Durchschnitt der Fahrzeugflotte gleich bleibt, egal welcher Fahrzeugtyp angerechnet wird. Aber damit würden wir immer in der Defensive sein, weil wir dieses Gegen-Argument nur dann würden spielen können, wenn das Argument in die Diskussion geworfen wird. Dieser Punkt bereitete mir Sorgen.
Der Ausweg aus dieser unangenehmen Situation kam mit einem Vorschlag seitens eines der Bundesämter, mit denen wir im Gespräch sind. Dort schlug man Thomas Böhni vor, ob es denkbar sei, die Anrechnung nur für solche Fahrzeuge zu beantragen, die sowieso schon die CO2-Grenzwerte einhalten. Damit würde man den Druck zur Effizienzsteigerung nicht verkleinern. Nach kurzem Überlegen stimmten wir diesem Vorschlag zu. Indem es in der Begründung zur Motion nun heisst
Damit die Ziele des CO2-Gesetzes zur Effizienzsteigerung nicht ausgehebelt werden, kann die Anrechenbarkeit auf Fahrzeuge beschränkt werden, die den entsprechenden CO2-Flottengrenzwert einhalten.
ist dem Argument möglicher Kritiker von vornherein der Wind aus den Segeln genommen. Die Anrechnung wird den Druck zur Effizienzsteigerung nicht abbauen. Und das ist auch gut so.
Für die Kampagne bedeutet dieser Satz, dass der Strategische Campaigning Grundsatz Nr. 2 eingehalten werden kann.
Hier noch der Link zur Motion:
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20144128
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