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Wie es kam, dass ich mit AC/DC über Quantenmechanik plaudern konnte

(I’ll have this post translated into English soon)

Es ist kein grosses Geheimnis, dass ich seit 35 Jahren hartgesottener AC/DC-Fan bin. Und natürlich wollte ich sie mal persönlich kennenlernen, aber das schien immer unerreichbar.

Letzten Oktober schien das Ziel in greifbare Nähe zu rücken. Ich erfuhr eine Woche im voraus, dass sie in London das Video zum neuen Album Rock Or Bust drehen würden. Viele meiner Freunde flogen hin und sind nun unter den 500 Fans zu sehen, die dem Filmdreh beiwohnten. Ich jedoch blieb bei meiner Frau, die am gleichen Tag Geburtstag hatte und sich eine gemeinsame Motorradtour mit Wellness und Wandern wünschte, womit ich sie dann überraschte. (Ich träumte allerdings die ganze Nacht von AC/DC).

Zur Rettung unserer Ehe sagte ich ihr, sie müsse dann aber dafür sorgen, dass ich bei der nächsten Tournee mit Angus ein Selfie knipsen kann. Natürlich konnte ich das nicht wirklich erwarten, aber unsere Ehe musste gerettet werden.

Und so unternahmen zwei Freunde und ich einen ersten Versuch am 21. Mai in München. Wir verliessen das Konzert vor Schluss und fuhren zum Hotel, wo die Band angeblich wohnen sollte. Doch ausser dass wir Paul Panzer kennenlernten, der ebenfalls dort wohnte und ebenfalls auf AC/DC wartete, passierte nichts. Es stellte sich heraus, dass sie (mittlerweile?) in einem anderen Hotel waren.

Nun packte mich der Ehrgeiz. Ich setzte unseren Ermittler auf die Frage an, in welchem Hotel sie in Zürich sein würden. Der war allerdings nicht so schnell wie mein Kumpel André und ich zusammen. Zwei Tage vor dem Konzert schauten wir uns den Bühnenaufbau an. Dabei traf er einen Tourfotografen, der sagte, AC/DC seien im gleichen Hotel wie während der letzten Tournee. Ich wiederum wusste, wo das war.

Also fuhr André am nächsten Tag schon recht früh dort hin und wartete vor dem Hotel. In der Tat erblickte er Angus und seine Frau, aber sie wurden abgeschirmt. Etwa eineinhalb Stunde später rief er mich dann wieder an, er habe soeben ein Autogramm von Angus bekommen. Ich fluchte, denn ich dachte, das sei es nun gewesen. André meinte aber, Sänger Brian Johnson sei noch unterwegs und vielleicht könnten wir ihn noch treffen, wenn er zurückkommt.

Also fuhr ich doch noch hin. In der Tat kam Brian kurz später zurück. Sofort wurde er von einem Dutzend Fans umringt, die Autogramme wollten, aber dann zu aufdringlich wurden, so dass er schnell ging.

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Wir dachten, das sei es nun gewesen, blieben noch kurz, aber als wir gerade gehen wollten, entdeckte ich Stevie Young, wie er ein paar Meter weiter rauchte und sich mit zwei Leuten unterhielt, einer anscheinend aus der Crew.

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Er schaute zwar immer wieder zu uns rüber, machte aber keine Anstalten, um rüberzukommen. Ich dachte, der traut sich nicht. Also winkte ich ihm, er winkte zurück, ich winkte ihn rüber, er verabschiedete sich von den beiden und kam zu uns. Wir unterhielten uns dann eine ganze Stunde lang mit ihm. Als er erfuhr, dass ich Physiker bin, zeigte er sich als Physik-Fan und wir unterhielten uns über Deutungen der Quantenmechanik und andere physikalische Phänomene, über die Möglichkeit, dass wir die Welt mit unseren Erwartungen erschaffen und die Mythologie der australischen Ureinwohner.

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Natürlich war auch seine Rolle als Nachfolger von Malcolm Young ein Thema. Er erzählte uns, wie Malcolm ihn darum gebeten hatte, er aber zuerst auch noch Angus um dessen Einverständnis fragte. Traurige Geschichte…

Ich berichtete ihm von meinem Buch «Das AC/DC Prinzip» bzw. auf Englisch «The AC/DC Strategy». Das interessierte ihn sehr. Ich hatte am Mittag versucht, der Band je ein Exemplar via Rezeption zuzustellen. Doch das Personal weigerte sich, mit der Begründung, sie würden zugeben, dass AC/DC bei ihnen wohnt, wenn sie das Buch annehmen würden. Stevie rief jemand von der Crew und bat ihn, sich darum zu kümmern. Was ich besonders witzig fand, war, dass er meine Visitenkarte nicht mehr hergeben wollte, denn dass der Blitz in unserem Signet nicht nur für Interventionen, sondern auch für AC/DC steht, gefiel ihm wohl ganz besonders gut.

Nach etwa einer Stunde gab es noch eine Fotosession und Autogramme. Jemand fragte ihn nach einem Plektron. Er griff in die Hosentasche und holte eine Hand voll davon hervor, alle scheinbar ungebraucht, die er verteilte. Dann erwischte er eines, das besonders zu sein schien, denn er hielt kurz inne, sah das Plektron und dann mich an und überreichte dieses eine Plektron mir, mit den Worten «Damit habe ich For Those About To Rock beim letzten Konzert in Madrid gespielt. Es ist total abgenutzt».

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Dann verliess er uns. Wir dachten zum zweiten Mal, das sei es wohl gewesen, plauderten zu viert noch ein wenig weiter und wollten schon gehen, als André plötzlich sagte: «Da kommt Angus».

In der Tat kam er gerade ganz locker aus der Hotel-Lobby spaziert, wohl zum Rauchen, sah uns, kam schnurstracks auf mich zu und fragte «Bist Du schon wieder da?». Ich musste lachen und antwortete, ich sei vorher gar nicht da gewesen, aber es sei schön, ihn endlich kennenzulernen und schüttelte ihm die Hand. Danach plauderten wir zwei Stunden lang über Gott und die Welt.

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Natürlich unterhielt ich mich auch mit ihm über mein Buch und über Physik. Er fragte mich, was die Physik mir in meinem heutigen Job nütze. Ich antwortete, das logisch-analytische und gleichzeitig kreative Denken sei sehr hilfreich. Andere stellten ihm diverse Fragen, unter anderem zu seinen Lieblingsgitarren. Davon hatte er zwei, die Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahren gebaut worden waren, beides Gibson SG. Er benutzt sie fast nur im Studio. Eine fiel allerdings während einer Japan-Tournee während dem Öffnen aus einem Schrank, der Hals brach, und obwohl sie geflickt wurde, kann er sie kaum noch verwenden, weil sie jetzt anders klingt. Zwar gibt Angus zu, dass bei einer Elektrogitarre der Holzkörper keinen Einfluss auf den Ton haben sollte, er meint aber, dass der Holzkörper einen Einfluss darauf hat, wie man die Gitarre spielt und deshalb einen indirekten Einfluss auf den Ton.

Ein weiteres Thema waren Funksender zwischen Gitarre und Verstärker, und wie Malcolm damals in New York den ersten testete und begeistert war, weil man damit noch lauter spielen konnte als mit Kabel. Die Firma, die sie produzierte, gibt es heute nicht mehr. Er hatte 11 Stück davon, aber mit der Zeit hat der Schweiss sie alle kaputt gemacht.

Dann kamen wir noch auf den speziellen Sound von AC/DC zu sprechen, den keine Band richtig nachmachen kann. Am nächsten kam meiner Meinung nach die Band ’77 aus Barcelona, als sie noch in der Originalbesetzung spielten. Angus kannte sie nicht, obwohl die Band mal an seiner Haustür geklopft und seiner Frau Ellen ihre Alben in die Hand gedrückt hatte. Er bestätigte, was diese damals an der Tür sagte: Angus hört keine Musik, die jünger als siebziger Jahre ist, denn er will sich davon nicht beeinflussen lassen. Dann wurde er aber doch neugierig und ich spielte ihm Big Smoker Pig vor. Sein Kommentar: «Sehr nah dran, aber sie benützen kleinere Verstärker». Es ging weiter mit Geschichten, wie sie früher im Proberaum bis zum Umfallen neue Stücke komponierten, so lange, dass eigentlich dauernd einer von ihnen am Schlafen war. Natürlich kamen auch die anderen drei Kollegen zum Wort. Anschliessend gab er Autogramme und eine Fotosession und dann verabschiedete er sich.

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Was mich besonders beeindruckte war, wie normal diese Begegnung war. Ich fand bestätigt, was in meinem Buch steht: es gibt keinen Unterschied zwischen diesen Weltgrössen des Rock’n’Roll und ihren Fans, ausser, dass die einen auf der Bühne stehen und die anderen davor. Bei anderen Bands dieses Kalibers ist das nicht so. Das AC/DC-Prinzip setzt sehr stark auf Bescheidenheit, Loyalität und Dienstleistungsmentalität. Vielleicht hat das mit Melbourne zu tun, dem Ort, der ihre Karriere beschleunigte, und wo der häufigste Ausspruch von Service-Personal, den man zu hören bekommt, lautet: «Wer’e here to serve you». Davon könnte sich mancher Dienstleister in der Schweiz ein Scheibchen abschneiden.

Danach sah ich die beiden während ihres Aufenthalts in Zürich nur noch während der Konzerte am Freitag und Sonntag.

Aber am Montagmorgen um 7:11 Uhr (!!!) – für eine Rockband sicher mitten in der Nacht – schickte mir Stevie eine E-Mail, an der Rezeption liege ein signiertes Exemplar meines Buches zum Abholen bereit. So war es dann auch. Am Abend, als ich es abholte, sagte man mir, die Band sei am Morgen abgereist. Das nächste Mal werde ich AC/DC mit anderen Augen sehen. Aber vor allem ist meine Ehe gerettet 😉

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