Zum Verständnis der Überschrift braucht es zwei Definitionen, eine für das Wort «normal» und eine für den Begriff der Zielgruppenorientierung.
Unter «normal» verstehe ich im Zusammenhang mit diesem Beitrag das, was in Marketing, Werbung und der Kommunikationsbranche allgemein zur Zeit der Standard ist.
«Zielgruppenorientierung» bedeutet, dass man Tonalität, Botschaften und Begriffe an der zu erreichenden Zielgruppe orientiert.
«Normale Zielgruppenorientierung» heisst dann, dass man mittels Marktforschung gesellschaftliche Segmente identifiziert. Im besten Fall macht man das nicht sozio-demographisch, sondern mittels der Sinus-Milieus.
Unternehmen, die auf dem Höhepunkt der Zeit sind, setzen Big Data ein und erstellen Profile, die die Zielgruppen viel genauer beschreiben und die vor allem eins ermöglichen: Kommunikation so zu steuern, dass sie sich an dem orientiert, was die Zielgruppe wirklich bewegt, so dass sie auch das tut, was man von ihr möchte.
Handelt es sich bei der Entwicklung zu einer relevanteren – und damit einer in meinen Worten «echt» Zielgruppen-orientierten Kommuniktion also lediglich um eine Evolution?
Meiner Meinung nach ist die Antwort auf diese Frage ein klares Nein. Es handelt sich mehr um eine Revolution, denn sang- und klanglos hat sich ein neuer Begriff eingeschlichen, der gleich ein neues Wertesystem mit sich bringt und zudem erklärt, wieso Campaigner schon immer «echt Zielgruppen-orientiert» handelten und kommunizierten.
Das Zauberwort heisst«bewegen». Wenn der Erfolg einer Plakatkampagne wie früher lediglich daran gemessen wird, wie viele Personen die Plakate wahrgenommen haben, dann ist das etwas fundamentals anderes, als wenn ich mit diesen Plakaten Menschen dazu bewegen will, etwas ganz konkretes (anders) zu tun. Ob Menschen sich anders verhalten, ist messbar und hat direkte und konkrete Konsequenzen. Dies ist grundlegend anders, als wenn sie nur etwas wahrnehmen müssen, ohne dass man dies mit einem konkreten (veränderten) Verhalten verknüpft.
Im Campaigning, das im Umfeld von NGOs und politischen Kampagnen erfunden und weiterentwickelt wurde, geht es immer um Verhalten: Wahlverhalten, Boykotte, bei etwas mitmachen usw. Dieses Verhalten ist direkt messbar, der Erfolg direkt sichtbar. Deshalb ging es im Campaigning auch schon immer darum, so zu kommunizieren, dass die Zielgruppe das Richtige richtig versteht und dass sie daraus auch das richtige Verhalten ableitet.
Echte Zielgruppenorientierung und Campaigning sind siamesische Zwillinge, die im Corporate Umfeld oft als hässlich betrachtet wurden, weil ihre Kampagnen vielleicht nicht immer die schönsten waren, aber meistens wenigstens wirksamer als reine Kosmetik.
Und weil man echte Zielgruppenorientierung nur dann leben kann, wenn man die Zielgruppe auch wirklich versteht, lautet eines unserer Mottos: zuerst zuhören, dann reden. Campaigning ist Dialog.
Vor 10 Jahren standen wir – meine Firma business campaigning GmbH – vor einer wieder einmal schier unlösbaren Aufgabe: mit einem «Restbudget», wie der uns beauftragende Partner es nannte, eine Zielgruppe zum Kauf eines neuen Produktes bewegen und dabei messbar beweisen, dass die Kosten unserer Kampagne sich innerhalb eines Jahres amortisieren würden. Erst nach zwei Tagen kam uns die rettende Idee: wir machten einen Strategieworkshop mit der Zielgruppe anstatt mit dem Marketingteam unseres Partners. Resultat: ein vierfach höherer Marktanteil dort, wo unsere Kampagne lief, im Vergleich zu einer parallel laufenden klassischen Werbekampagne. Und warum? – Weil uns die Zielgruppe ganz genau ausarbeitete, wie wir sie bewegen konnten.
In der Folge dieses Erfolgs entwickelten wir ein Workshop-Konzept, um Kampagnenstrategien mit der Zielgruppe auszuarbeiten. Wir nennen diese Workshop Target Community Lab™s, weil die Teilnehmer aus der Zielgruppe meistens schon die erste Mitmach-Community stellen, denn sie sehen diese Kampagne als ihr Baby, das sie auch weiterhin begleiten und unterstützen wollen.