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Die sieben Phasen der Kampagnenplanung und die USR III

Am Freitag liess die NZZ drei Kampagnenmacher zur Frage zu Wort kommen, warum die Schweizer Abstimmungskampagne für die Unternehmenssteuerreform III scheiterte. Zumindest zwei davon vertraten die Meinung, es sei zu wenig im Vorfeld getan worden. Ich möchte nun ausnahmsweise mal nicht auf die Frage eingehen, ob die Gastautoren den Begriff Campaigning sinnvoll definieren. (Damit meine ich eine Definition, die die Methodik von semantisch verwandten Methoden abgrenzt, insbesondere von der öffentlichen Kommunikation zur Mobilisierung von Menschen. Ein neuer Begriff muss sich klar von bisherigen unterscheiden, damit nicht alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird.)

Stattdessen möchte ich auf die Kampagnen-Mechanik eingehen, wie sie im business campaigning® Modell beschrieben ist und 2003 in meinem Buch Business Campaigning veröffentlicht wurde.

Hier die relevantesten Passagen zweier Gastautoren:

Das mangelnde Vertrauen kam aber primär dadurch zustande, dass die Vorlage nicht verstanden wurde. Nicht, weil die Bürgerinnen und Bürger zu dumm dafür wären, sondern weil die Wirtschaftsverbände und Parteien erst wenige Monate vor dem Abstimmungssonntag begannen, mit wenigen Parolen und Schlagworten eine Abstimmungskampagne zu führen, welche weder die Steuerreform erklärte noch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ernst nahm.

Die Beschränkung auf eine reine Werbekampagne über drei Monate genügt heute nicht mehr. Sie hat wahrscheinlich noch nie genügt. Wer heute wirtschaftspolitische Vorlagen gewinnen will, muss die Elemente, welche das Erfolgsmodell Schweiz ausmachen, in «Friedenszeiten» erklären und nicht erst im «Krieg» Slogans verkünden und Plakate schwenken. Wo war in den letzten Jahren die provokative Debatte darüber, ob die Schweiz überhaupt eine Unternehmenssteuer brauche? Wo die leicht lesbare Infografik, wie das Steuersystem der Schweiz funktioniert?

(Andreas Hugi)

Politik und Wirtschaft müssen unter dem Jahr zwischen den Abstimmungen wieder mehr in Vertrauensbildung, Wissensvermittlung und Debatten investieren, idealerweise gemeinsam auf einer Plattform oder zumindest koordiniert. Direkte Demokratie ist ernsthafter Dialog durch überzeugende Köpfe und nicht nur Werbung. Nur dieser Dialog führt zur Akzeptanz politischer Positionen und Vorlagen.

Selbstverständlich braucht jede Abstimmungskampagne ihre Plakate und Schlagworte, dies ist jedoch nur noch das werberische Schlussbukett, die Schlussmobilisierung in den letzten Wochen vor dem Abstimmungssonntag, um flächendeckend die Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu gewinnen und zum Handeln, also zum Abstimmen, aufzurufen. Zuerst kommt die dialogische Kommunikation (das Wesen der Public Relations), dann die Schlusskampagne (die Werbung). Diese Mechanik – der kurze Werbespot sei an dieser Stelle erlaubt – ist den Kommunikationsprofis in unserer Branche sehr wohl geläufig.

(Roman Geiser)

Dass Campaigning Dialog ist, predige ich ja nun schon seit 20 Jahren, und diese Erkenntnis hat auch Eingang in eine meiner Campaigning-Definitionen gefunden:

Campaigning = Intention x Information x Interaktion x Intervention

Aber wie sieht es mit den anderen Aussagen aus? Braucht es bei Abstimmungskampagnen eine Art Vorkampagne und Dialog in «Friedenszeiten»? – Nach dem business campaigning® Modell ganz klar: Ja.

Denn in der Regel folgen alle Kampagnen sieben typischen Phasen, wie sie in der Grafik symbolisch dargestellt sind.

  1. Kampagnen-Planung

    Während der Kampagnen-Planung wird die erste Idee formuliert, einer Analyse unterzogen, die Strategie ausgearbeitet und die verschiedenen Projekte oder Teilprojekte definiert. Notwendige Sofortmassnahmen werden im Massnahmenplan festgehalten, umgesetzt und evaluiert. Dazu gehört auch, was es in Phase 2 zu tun gibt.

  2. Community-Aufbau

    Die interne Kampagne kommt immer zuerst. Sie dient auch als Test für die Umsetzbarkeit nach aussen. Interne Meinungsmacher, Beeinflusser und Entscheider werden involviert und können Einfluss nehmen. Die Grenze zwischen intern und extern entscheidet darüber, ob damit nur «innerhalb der eigenen Organisation» oder z.B. «innerhalb der Branche» usw. gemeint ist. Je nach Feedback wird der Kampagnen-Plan angepasst.

  3. Community-Ausweitung

    Weitere Stakeholder werden involviert oder informiert. Spätestens jetzt sind damit auch externe Akteure bis hin zur gesamten Öffentlichkeit gemeint. Bei Abstimmungskampagnen ist in dieser Phase der in den Gastautoren-Beiträgen der NZZ erwähnte Dialog, die Vertrauensbildung und  die Wissensvermittlung zu leisten. Je nach Feedback wird der Kampagnen-Plan angepasst.

  4. Logistische Vorbereitungen

    Während dieser Phase werden die Kampagnenmaterialien produziert, das Team ausgebildet, die Infrastruktur aufgebaut usw. Bei Abstimmungskampagnen werden Plakate, Flyer usw. produziert.

  5. Lancierung

    Ob sie nur einen Tag geht oder eine ganze Woche: die Lancierung sollte als gesonderte Phase betrachtet werden, weil sie eine andere Dynamik als der Rest der Kampagne hat und weil von ihr so viel abhängt («you never get a second chance to make a first impression»). Je nach Feedback wird der Kampagnen-Plan angepasst.

  6. Umsetzung

    In dieser Phase wird umgesetzt und beim Erreichen von Meilensteinen gemessen, ob man auf Kurs ist. Die Meilensteine wurden schon während der Planung festgelegten; das ist sehr wichtig. Auch die Art und Weise, wie die Zielerreichung gemessen wird, muss bereits zusammen mit der Kampagnen-Strategie ausgearbeitet worden sein. Nur so kann man verhindern, dass die Wirksamkeitsmessung mehr vom eigenen Wunschdenken beeinflusst wird als von den Fakten. Je nach Ergebnis werden Analyse, Strategie,  Projektplanung und/oder die Massnahmenplanung überarbeitet.

  7. Abschlussphase

    Die Kampagne ist beendet, anhand der zu Beginn festgelegten Kriterien wird ihr Erfolg beurteilt und aus dem Ergebnis die Lehren für die nächste Kampagne gezogen und schriftlich festgehalten. Diese finden ihren Eingang in die Analyse, Strategie, Projekt- und Massnahmenplanung für die nächste Kampagne.

Abschliessend sei noch erwähnt, dass dieses Modell fraktal ist. Denn die sieben Phasen gelten auf jeder Ebene bzw. zu einem gewissen Mass auch wiederum in den einzelnen Phasen. Die interne Kampagne folgt dem gleichen Muster, wie auch die Phasen der Community-Ausweitung und die Lancierung.

Ich freue mich auf Fragen und Kommentare und/oder Diskussionen über dieses Bild am business campaigning Day mit anschliessendem Campaigning-Meetup am 30. März und/oder beim Campaigning Summit Switzerland am 31. März. (Es sind weniger als 20 reguläre Tickets übrig.)

 

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